Zu Gründen und Motivation für diese Partnerschaft und zur Rolle der KI im Gesundheitswesen sprechen wir mit Dr. Jan Alexandersson, Leiter des Kompetenzzentrums Ambient Assisted Living des Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, DFKI
EIT Health Germany (EHG): „Herr Alexandersson, welche Rolle wird KI Ihrer Meinung nach kurz- bis mittelfristig im europäischen Gesundheitswesen spielen? Wie wird KI das Gesundheitswesen beeinflussen?“
Jan Alexandersson (JA): „KI wird alle die Bereiche beeinflussen, in denen die verschiedenen Stakeholder (Patient*innen, Angehörige, Pflegepersonal, Ärzte und Ärztinnen) unterstützt werden können und müssen.
KI-Verfahren können dazu beitragen, Krankheiten früher zu erkennen oder zu vermeiden, die Diagnosestellung und die Therapien zu verbessern. Um zu priorisieren, müssen wir nur die Kosten verschiedener Krankheiten im Gesundheitssystem betrachten: die drei kostenintensivsten Bereiche sind Gehirnleistungsstörungen, an zweiter Stelle kardiovaskuläre Erkrankungen und an dritter Stelle Krebs. Gleichzeitig verzeichnen wir einen massiven Ärzte- und Pflegermangel, was sich verheerend auf die Versorgung auswirken wird. KI-Anwendungen können diese Berufsgruppen entlasten, sodass mehr Zeit für den Menschen bleibt.
Auch für Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung sehe ich hier gute Möglichkeiten, das Niveau deutlich zu steigern und somit eine Verbesserung der Leistung zu garantieren.“
EHG: „Im November 2018 präsentierte die Bundesregierung die nationale KI-Strategie für Deutschland. Rund 3 Milliarden Euro sollen insgesamt investiert werden. Wie werden Ihrer Auffassung nach hier die Ansätze für unser Gesundheitswesen aussehen?“
JA: „Das neue Digitale Versorgungsgesetz stellt einen Anfang dar, der digitale Dienste und eine rechtssichere Nutzung von Daten ermöglicht. Dies ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass KI-Technologien durch das Trainieren auf Basis von Massendaten ihr volles Potenzial entfalten. Es darf nicht übersehen werden, dass im internationalen Vergleich die Ausgaben von Firmen und Staaten andere Dimensionen haben. Dabei würde ich mir wünschen, dass das Geben (persönlicher Daten) und Nehmen (von Ergebnissen) beiderseitige Vorteile mit sich bringt.“
EHG: „Haben Sie für uns KI -Beispiele, die Ihrer Auffassung nach das Gesundheitssystem revolutionieren werden?“
JA: „Eine Revolution würde das ganze System grundlegend verändern. KI bietet eine große Chance, einen deutlichen Schub nach vorne zu schaffen. Da das Gesundheitssystem bereits an vielen Stellen gut ist, würde ich eher punktuelle, jedoch merkliche Verbesserungen beispielswiese in folgenden Bereichen prognostizieren:
Grundsätzlich ist es unabdingbar, dass in interdisziplinären Teams und mit einer benutzer- und anwendungsorientierten Methodologie gearbeitet wird.“
EHG: „Was ist im Allgemeinen die Motivation für die Entscheidung des DFKI, mit EIT Health zusammenzuarbeiten?“
JA: „Das ist lupenreines Win-Win! EIT Health bekommt einen kompetenten Partner, der sich bestens mit KI in allen Ausprägungen auskennt – von der blue-sky-Grundlagenforschung bis hin zu Innovation und Ergebnissen, die von Spin-offs auf den Markt gebracht werden. Das DFKI bekommt Zugang zu einem hervorragenden Netzwerk, das es uns erlaubt, unsere Position als weltweit größtes gemeinnütziges KI-Institut zu behaupten. Dabei bietet EIT Health dem DFKI die Möglichkeit, seine Kompetenzen im Bereich Gesundheit auszubauen. Alles in allem: EIT Health + DFKI = Innovation Richtung Markt!“
EHG: „Wo sehen Sie in unserer Zusammenarbeit Synergien und Potenziale? Was wäre ein denkbares konkretes Ziel?“
JA: „Die europäischen Gesundheitssysteme – und damit auch das deutsche – sind zwar gut, aber gleichzeitig teuer. Die Herausforderung, das System zu verbessern, lässt sich durch einen Innovationsmotor wie das DFKI positiv beeinflussen. Das DFKI bietet komplementäre Kompetenzen – KI und Data Science – eine transformative Kombination, die eine Voraussetzung für kleine Revolutionen im ganzen Gesundheitssystem darstellt. Wir initiieren dieses Jahr eine komplette Research Pipeline mit Ansätzen zur Früherkennung, Diagnoseunterstützung und Telemonitoring in den Bereichen kardiovaskuläre, neurologische Erkrankungen, Haut- und Prostata. Ich freue mich sehr auf eine spannende und fruchtbare Zusammenarbeit!“
Zur Person
Dr. Jan Alexandersson schloss sein Studium der Computerwissenschaften (M.Sc.) an der Universität Linköping, Schweden, im Jahr 1993 ab. Danach begann er als Wissenschaftler am DFKI zu arbeiten, zunächst in der Sprachtechnologie, dann im Forschungsbereich Intelligente Benutzerschnittstellen als wissenschaftlicher Mitarbeiter in den Verbundprojekten Verbmobil und SmartKom des deutschen Bundesforschungsministeriums. 2003 promovierte er an der Universität des Saarlandes. Er ist DFKI-Research Fellow und leitet seit 2011 das Kompetenzzentrum Ambient Assisted Living (AAL). 2017 hat er das Spin-off ki elements mitgegründet, das Systeme zur KI-optimierten Unterstützung neuropsychologischer Tests entwickelt.